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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 21 U 148/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 1 S. 2
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 274
BGB § 280
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 631 Abs. 1
BGB § 634 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das am 12. Oktober 2006 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird als unzulässig verworfen.

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das vorgenannte Urteil unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels hinsichtlich ihrer Verurteilung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 2) verurteilt, an die Klägerin 11.352,47 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. November 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat diese selbst zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen diese selbst zu 83 % und der Kläger zu 17 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers und die Gerichtskosten werden den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 83 % sowie der Beklagten zu 2) und dem Kläger selbst jeweils zu weiteren 8,5 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten zu 2) ist unzulässig und deshalb gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu verwerfen.

Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zwar zulässig, führt in der Sache jedoch nur zur Herabsetzung des Urteilsbetrages um 2.320,00 € auf 11.352,47 € nebst Zinsen.

I.

Rechtsanwalt Dr. H hat auf den Hinweis in der Ladungsverfügung deutlich gemacht, dass die Berufung auch für die Beklagte zu 2) durchgeführt werden soll.

Die Berufung der Beklagten zu 2) ist jedoch unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig nach §§ 517, 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eingelegt worden ist. Im Rubrum der Berufungsschrift vom 25.10.2006 ist als Beklagte und Berufungsklägerin allein die Beklagte zu 1), vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, genannt. Im folgenden Text des Schriftsatzes heißt es "lege ich namens und in Vollmacht der Berufungsklägerin Berufung ein". Die Beklagte zu 2) ist in dem Schriftsatz als Partei gänzlich unerwähnt geblieben. Dass entgegen dem eindeutigen Wortlaut auch für sie Berufung eingelegt werden sollte, ließ sich den bis zum Ablauf der Berufungsfrist ersichtlichen Umständen nicht hinreichend deutlich entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen. Der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Dabei kann die erforderliche Klarheit über den Rechtsmittelführer zwar nicht allein aus dessen ausdrücklicher Bezeichnung erzielt werden. Sie kann vielmehr auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (BGH NJW-RR 2004, 572, 573; BGH NJW-RR 2006, 284; BGH Anwaltsblatt 2007, 87).

Hier ergab sich aus den Umständen jedoch nicht, dass entgegen dem klaren Wortlaut der Berufungsschrift nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Berufungsklägerin sein sollte. Zwar war der Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil beigefügt, mit dem beide Beklagte verurteilt worden waren. Das schloss aber auch angesichts der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) neben dieser als Gesamtschuldnerin verurteilt worden war, nicht aus, dass allein die Beklagte zu 1) Berufung einlegen konnte und wollte. Eine notwendige Streitgenossenschaft besteht zwischen einer in Anspruch genommenen Gesellschaft und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin nicht (BGH NJW 1988, 2113). Zwar war nicht unmittelbar ersichtlich, welchen Sinn es haben konnte, dass nur die Beklagte zu 1) Berufung einlegte. Die Frage nach dem Sinn einer isolierten oder einer gemeinsamen Berufung ändert jedoch nichts daran, dass - aus welchen Gründen auch immer - einer von zwei Verurteilten von einer Berufung absehen kann, auch wenn die beiden Verurteilten in einer engen Beziehung zueinander stehen. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Fall ähnlich gesehen, in dem zwei Eheleute als Kläger und Drittwiderbeklagte wegen derselben rechtlichen Beziehung an einem Rechtsstreit beteiligt waren (BGH NJW-RR 2006, 284). Wegen möglicher nach außen nicht bekannter interner Verhältnisse innerhalb der Beklagten zu 1) und Umständen der Beziehung der Beklagten untereinander war jedenfalls nicht unzweifelhaft erkennbar, dass das Rechtsmittel entgegen dem klaren äußeren Anschein der Berufungsschrift für beide gleichzeitig mit Schriftsatz vom 25.10.2006 eingelegt werden sollte. Nicht auszuschließen war auch, daß beide Beklagten andere Anwälte betraut hatten.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig, jedoch überwiegend unbegründet.

Dem Kläger steht gem. § 631 Abs. 1 BGB i. V. m. dem am 27.12.2004/13.01.2005 geschlossenen Vertrag wegen seiner Statikerleistungen eine fällige, der Höhe nach unstreitige Honorarforderung in Höhe von 13.672,47 € zu, nachdem die Beklagte zu 1) seine Pläne abgenommen und zur Ausführung des Bauvorhabens verwandt hat.

a)

Gegenüber diesem Anspruch hat die Beklagte zu 1) wirksam mit einem Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 280 BGB in Höhe von 2.320,00 € wegen ihr entstandener zusätzlicher Prüfstatikerkosten aufgerechnet, so dass der vom Senat zugesprochene Betrag von 11.352,47 € verbleibt.

Das Werk des Klägers war mangelhaft, weil die von ihm zunächst erstellte Statik zu einer räumlichen Gestaltung geführt hätte, die auch den Anforderungen, die an ein zum Zwecke der Prostitution genutztes Boarding-Haus zu stellen sind, nicht gerecht wird. Im Anschluss an die persönliche Anhörung des Klägers und die Vernehmung des Architekten C im Senatstermin ist unstreitig geworden, dass der Kläger für die Räumlichkeiten eine Tragwerksplanung mit Unterzügen erstellt hat, die fast bis auf Türhöhe herunterreichen sollten. Die ihm überlassenen Bauantragsunterlagen, die der Architekt C gefertigt hatte, enthielten keine entsprechenden Vorgaben. Vielmehr hat der Kläger die Unterzüge allein aus statischen Gründen vorgesehen und durch einen Prüfstatiker abklären lassen, ohne die Maßnahme mit dem Architekten zu besprechen. Wie die spätere Umplanung zeigt, bestand keine Notwendigkeit für eine derartige optische und funktionale Beeinträchtigung der Räumlichkeiten. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte zu 1) bereit war, die fast bis auf Türhöhe reichenden Unterzüge hinzunehmen. Diese Beurteilung ist entgegen der vom Kläger im Senatstermin geäußerten Ansicht unbeschadet der beabsichtigten Nutzung der Räumlichkeiten gerechtfertigt. Es mag zwar sein, dass die Ausübung der Prostitution eine gewisse Separierung räumlicher Einheiten und auch Sichtschutz erfordert, damit die zahlenden Nutzer des Gebäudes eine Atmosphäre vorfinden, in der sie ungezwungen die von ihnen gewünschten Leistungen entgegennehmen können. Die von dem Kläger geplanten Unterzüge wären jedoch nicht geeignet gewesen, diesen Anforderungen zu dienen, sondern hätten im Gegenteil störend gewirkt. Sie beruhten allein auf statischen Erwägungen und nicht auf Nutzungsinteressen der zukünftigen Gäste. Durch die tiefen Unterzüge wäre die Raumwirkung in unflexibler Weise tangiert gewesen, während eine flexible Raumgestaltung, z.B. durch verstellbare Elemente, angezeigt sein dürfte, um - etwa in einem Empfangs- und Gemeinschaftsbereich - bedarfsgerecht einerseits Offenheit und andererseits Intimität schaffen zu können. Soweit es um einzelne Räume des Gebäudes geht, in die sich die Kunden in Begleitung zurückziehen können, muss eine durch tiefe Unterzüge geschaffene drückende Atmosphäre besonders störend wirken, wenngleich die Unterzüge wohl nicht so weit nach unten gereicht hätten, dass bei gewöhnlichen Verhaltensweisen eine insoweit unerwünschte Kontaktgefahr mit dem Gemäuer bestanden hätte.

b) Weitere Gegenrechte stehen der Beklagten zu 1) nicht zu.

Sie beruft sich auf Zurückbehaltungsrechte, weil die I GmbH & Co.KG angeblich gemäß Rechnung vom 04.09.2006 wegen einer Bauzeitverzögerung ihr gegenüber zusätzliche Forderungen in Höhe von 21.374,40 € netto verfolge und ihr zudem wegen der behaupteten Verzögerung beträchtliche Mietausfälle entstanden seien. Die Aufrechnung hat sie insoweit ausdrücklich nicht erklärt.

Die Beklagte zu 1) konnte im Senatstermin jedoch nicht darlegen, welchen fälligen Anspruch i.S.v. §§ 273 Abs. 1, 274 BGB sie gegenüber der Werklohnforderung des Klägers zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes einwenden will.

Der angebliche Mietausfall kann einer Verurteilung zur Zahlung des Werklohns schon deshalb nicht entgegenstehen.

Selbst wenn man das Vorbringen der Beklagten zu 1) hinsichtlich der Mehrforderung der Generalübernehmerin trotz der Erklärungen im Senatstermin wohlwollend dahin auslegte, sie erstrebe eine Verurteilung Zug um Zug gegen Freistellung von einer gegenüber der Generalübernehmerin bestehenden Verpflichtung, könnte sie hiermit ebenfalls nicht durchdringen.

Die Voraussetzungen eines Freistellungsanspruchs sind nicht ersichtlich. Die Beklagte zu 1) macht geltend, der Kläger habe die in der Liste der Generalübernehmerin vom 12.07.2005 genannten Termine zur Vorlage geprüfter Schal- und Bewehrungspläne nicht eingehalten. Die Verbindlichkeit der Termine ist jedoch - soweit ersichtlich - nicht vereinbart worden. Zwar hat der Architekt C die Liste dem Kläger noch am 12.07.2005 per Fax zugeleitet. Zweifelhaft ist jedoch bereits, ob der Kläger das Fax so verstehen musste, dass von ihm eine verbindliche Zusage bezüglich der Einhaltung der Termine durch ihn erwartet wurde. Der Text des Faxes lautet wie folgt:

"Anbei erhalten Sie die uns soeben übermittelte handschriftliche Aufstellung mit Angabe der Termine zur jeweils spätesten Vorlage der geprüften Schal- und Bewehrungspläne.

Wir bitten Sie darauf hinzuwirken, dass diese Termine unbedingt eingehalten werden. Mit dem Ingenieurbüro X wollen Sie sich bitte entsprechend abstimmen."

Jedenfalls hat der Kläger der Terminsliste nicht zugestimmt. Vielmehr hat er zeitnah mit Schreiben vom 21.07.2005 darauf hingewiesen, nicht mit den erforderlichen Architektenplänen versorgt zu werden. Eine Einverständniserklärung hinsichtlich einer terminlichen Bindung konnte die Beklagte zu 1) dem Verhalten des Klägers unter diesen Umständen nicht entnehmen.

Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) trotz der erstinstanzlich und zweitinstanzlich erteilten gerichtlichen Hinweise nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es wegen der angeblich verspäteten Vorlage der Schal- und Bewehrungspläne unter Berücksichtigung des konkreten Bauablaufs zu der behaupteten Bauzeitverzögerung gekommen ist. Schließlich ist nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die Generalunternehmerin von der Beklagten zu 1) eine Entschädigung verlangen kann.

Der Zinsanspruch folgt angesichts der mit Schreiben vom 11.11.2005 zum 18.11.2005 erfolgten Mahnung aus § 288 Abs. 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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